HOME » BLOG » SOZIALKONTAKT FÜR AUTISTEN – WIE MAN IHN ÜBERLEBT
SOZIALKONTAKT FÜR AUTISTEN – WIE MAN IHN ÜBERLEBT
SOZIALE INTERAKTION KANN FÜR AUTISTISCHE MENSCHEN KRÄFTEZEHREND SEIN
Unfreiwilliger Sozialkontakt kann unglaublich kräftezehrend sein. Aber auch freiwilliger Sozialkontakt kann ermüden. Und selbst, wenn man Spaß hat, kann er uns vollkommen erschöpft zurücklassen. Für die meisten autistischen Menschen lässt sich sozialer Kontakt jedoch nicht komplett vermeiden, also müssen wir Wege finden, ihn zumindest zu überleben. Bonuspunkte, wenn er einem gefallen kann!
Anpassungen für autistische Bedürfnisse zu schaffen, und sich zur Selbstfürsorge aus sozialen Situationen zurück zu ziehen, sollte gesellschaftlich universal akzeptiert sein. Es sollte keine Rechtfertigung gefordert sein, keine Entschuldigung notwendig, keine Scham gefühlt, keine Schuld zugewiesen. Das ist es, worauf wir hinarbeiten, wenn wir uns für Autismusakzeptanz einsetzen.
Aber wir müssen anerkennen, dass dieses Ideal aktuell für viele von uns nicht Realität ist. Autistischer Overload und Erschöpfung von sozialer Interaktion sind jedoch Realität. Das Bedürfnis Pausen zu machen ist Realität.
Autistische soziale Anpassungen und Rückzug dienen dazu, Energie zu sparen und wieder aufzuladen, damit man soziale Ereignisse nicht komplett verlassen, oder ganz vermeiden muss. Verschiedene Faktoren tragen dazu bei, uns während sozialer Ereignisse unsere Energie zu entziehen:
1. Direkter Sozialkontakt. Nonverbale Kommunikation analysieren müssen, Empathie zeigen, usw.
2. Sprache verarbeiten müssen. Menschen zuhören, Gespräche verfolgen, oft mehrere Personen gleichzeitig, unsere eigene Sprache verarbeiten, selber kommunizieren müssen, usw.
3. Reizverarbeitung. Gespräche, Menschen die sich bewegen, Geschirr das klirrt, Essengeräusche, Stühle die sich bewegen, Musik, usw.
SOZIALE EREIGNISSE FÜR OFFEN AUTISTISCHE MENSCHEN LEICHTER MACHEN
Wenn man offen autistisch ist, lauten die Schlüsselworte “Akzeptanz und Anpassung”.
Ein paar Ideen:
1. Zielgerichteter Sozialkontakt ist oft einfacher, als freier.
2. Pausen machen, wenn nötig.
3. Gehen, absagen, oder Sozialkontakt vermeiden, wenn nötig.
4. Menschen wissen lassen, was geht und was nicht. Menschen über deine Bedürfnisse informieren.
„Bitte formuliere das als Ja oder Nein Frage.“
„Ich kann gerade nicht sprechen.“
„Ich kann nur einer Person auf einmal zuhören.“
„Können wir uns da drüben unterhalten? Hier ist es zu laut für mich.“
„Ich muss mal etwas nach draußen, es wird mir gerade zu viel hier.“
„Ich kann nicht gleichzeitig Augenkontakt halten und ein Gespräch führen.“
5. Anpassungen für Reizüberflutung nutzen (Mütze, Sonnenbrille, Gehörschutz, Stimspielzeuge etc.)
6. Alternative Kommunikationsmöglichkeiten nutzen.
7. Stimming.
8. Sozialkontakt mit anderen autistischen Menschen kann einfacher sein, als mit nichtautistischen Menschen.
MASKIEREN LÄSST AUTISTISCHE BEDÜRFNISSE NICHT VERSCHWINDEN
Nun können einige von uns nicht immer oder niemals offen autistisch sein. Einige von uns müssen ihren Autismus verstecken und MASKIEREN. Einige von uns mögen offen autistisch sein, sind aber nicht immer oder gar nicht in der Lage, ihre Bedürfnisse Anderen zu erklären. Manchmal ist es einfacher, oder sicherer, aktuell als gesellschaftlich akzeptiert geltende Möglichkeiten zu nutzen, um eine kurze Pause zu bekommen.
Wenn offen autistisch zu sein keine Option ist, bleiben unsere autistischen Bedürfnisse während sozialer Ereignisse trotzdem die gleichen. Sie müssen erfüllt werden, um Overload und Burnout zu vermeiden. Wenn Anpassung und offen autistischer Rückzug also nicht zugänglich sind, ist es für unsere autistische Gesundheit unerlässlich, andere Optionen zum Rückzug zu haben.
SOZIALE EREIGNISSE FÜR MASKIERENDE AUTISTEN LEICHTER MACHEN
Wenn man nicht offen autistisch ist, lauten die Schlüsselworte ‚aktuell gesellschaftlich akzeptierte Wege, sich während sozialer Ereignisse zurück zu ziehen‘.
Ein paar Ideen:
1. Geh ins Bad – z.B. zum Frischmachen, Händewaschen, oder um zur Toilette zu gehen.
2. Geh kurz Luftholen – z.B. auf der Terasse, dem Balkon, im Garten.
3. Deck den Tisch auf oder ab.
4. Hol Nachschub an Getränken oder Snacks für Andere oder dich selbst.
5. Hol Dinge, die sich während des Ereignisses als fehlend herausstellen.
6. Spül, räum den Geschirrspüler ein oder aus, räum Geschirr weg.
7. Bring kurz den Müll raus.
8. Schau nach anwesenden Haustieren. Verbringe eine Weile mit ihnen.
9. Schau nach anwesenden Kindern. Verbringe eine Weile mit ihnen.
10. Geh zur Tür, wenn es klingelt. Immer noch Sozialkontakt, aber weg vom Hauptereignis und kann gescriptet werden.
11. Check dein Handy.
12. Geh etwas aus deiner Tasche holen oder such etwas in deiner Tasche.
13. Etwas Interessantes finden, das man sich ansehen, oder fotografieren kann.
14. Mach eine Raucherpause.
15. Wenn du gehen musst, Leuten die Wahrheit zu sagen keine Option ist, und du lügen kannst, dann lüg. Denk dir eine akzeptable Ausrede aus. Kümmer. Dich. Um. Dich. Und erlaube es auch niemandem, dich dafür schlechtfühlen zu lassen.
Einiges hiervon hängt natürlich davon ab, um welche Art soziales Ereignis es sich handelt, wo es ist, mit wem man dort ist usw. Aber ich denke, die Idee ist klar.
Es gibt außerdem Wege, soziale Ereignisse leichter zu machen, für die man sich nicht körperlich entziehen muss:
1. Stell sicher, dass du vor und während sozialer Ereignisse genug isst und trinkst.
2. Konzentriere dich auf dein Essen und/oder Trinken, um Zeit zu gewinnen, ehe du jemandem antworten musst.
Sorgt manchmal auch dafür, dass man gar nicht erst angesprochen wird.
3. Bei der kleinsten Menschengruppe bleiben.
4. Bei den Menschen bleiben, von denen man weiß, dass man mit ihnen am leichtesten reden kann.
5. Im ruhigsten Raum bleiben.
6. Mit dem Rücken zur Wand sitzen, damit niemand hinter einem her laufen kann.
7. Ohrenstöpsel sind oft eine Option, auch wenn man nicht offen autistisch ist.
Kopfschmerzen beispielsweise sind hierfür eine gesellschaftlich akzeptierte Erklärung.
8. Vermeide Blickkontakt, um Menschen nicht dazu zu ermuntern, ich anzusprechen.
Nochmal: als autistisch akzeptiert zu werden, mit all unseren autistischen Bedürfnissen, ist das Ideal auf das wir hinarbeiten. Aber selbst, wenn das nicht die aktuelle Realität ist, bitte kümmert euch so gut es geht um euch!
Schreibe einen Kommentar