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ALS AUTISTISCHER MENSCH EINE PANDEMIE NAVIGIEREN
Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. Das stimmt in der Tat für viele Situationen, einschließlich der aktuellen COVID-19 Pandemie. Die Regierung hat Infektionsschutzmaßnahmen in Kraft gesetzt. Zusätzlich soll die Gesellschaft Infektionsschutzrichtlinien befolgen.
Situationen wie die aktuelle Pandemie wirken sich weit über Regierungsmaßnahmen und öffentliche Richtlinien auf uns aus. Dies kann für Autisten besonders schwer zu navigieren sein. Infolgedessen sind Stressreaktionen wie Stimming, Shutdowns, Meltdowns, und Selbstverletzung wahrscheinlich. Lasst uns betrachten, welchen Problemen sich Autisten gegenüber sehen, und was helfen kann.
Bitte beachten, dass dieser Artikel Autisten direkt anspricht. Er kann jedoch für Nichtautisten, die Autisten helfen wollen, genauso hilfreich sein.
KONTROLLVERLUST
Das Chaos und die Überwältigung, mit denen Autisten im Alltag zu tun haben, ist eine Menge. Die meisten Arten, wie wir dies bewältigen haben mit Kontrolle zu tun. Aber was, wenn was um uns herum und mit uns passiert sich außerhalb unserer Kontrolle befindet? Dies kann eine Ursache für schwerwiegenden Stress sein. VIELLEICHT KANN FOLGENDES HELFEN…
FINDE DINGE, DIE DU KONTROLLIEREN KANNST
Denk an die Dinge, die du nicht kontrollieren kannst, die dir Stress bereiten.
Jetzt teile sie in all ihre kleinen Teile auf.
Gibt es Teile, die du kontrollieren kannst? Kontrolliere sie!
Denk an Dinge unabhängig von denen, die du nicht kontrollieren kannst.
Erinnere dich an all die Dinge in deinem Leben, die du kontrollieren kannst.
Bemerke Dinge die du kontrollieren kannst, die du bisher nicht bemerkt hast.
Es kann hilfreich sein, eine Liste der Dinge zu erstellen, die du kontrollieren kannst. Diese Liste kannst du dann jedes Mal zur Hand nehmen, wenn Kontrollverlust dich zu überwältigen droht. Sie kann dich daran erinnern, dass du doch über etwas Kontrolle hast. Sie kann dir außerdem Anregungen geben, zu Dingen die du tun kannst, um dir ein Gefühl von Kontrolle zurück zu geben.
STRESS DURCH KONTROLLVERLUST BEWÄLTIGEN
Es ist gut, Dinge zu finden, die wir kontrollieren können. Wir müssen allerdings auch mit den Dingen, die wir nicht kontrollieren können, umgehen. Es kann hilfreich sein, eine Liste von Dingen zu erstellen, die uns bei der Bewältigung helfen. Du kannst diese Liste dann jederzeit zu Rate ziehen. Falls du Probleme damit hast, dich daran zu erinnern, dass eine solche Liste existiert, kann es helfen, sie dort aufzubewahren, wo du sie regelmäßig siehst. Du kannst dir auch Erinnerungen einstellen, deine Liste anzusehen, beispielsweise über dein Handy.
ÜBERWÄLTIGUNG
Es passiert gerade viel. Autistische Gehirne sind ohnehin schon andauernd unter Gefahr überwältigt zu werden, nun jedoch noch mehr. VIELLEICHT KANN FOLGENDES HELFEN…
EIN SCHRITT NACH DEM ANDEREN
Ich weiß, dass Planen, Organisieren, und Prioritäten setzen für Autisten aufgrund von Exekutiver Dysfunktion unglaublich schwierig sein kann. Bitte tu dennoch dein Bestes, nicht zu versuchen, alles auf einmal zu tun.
Erstelle eine Liste aller Dinge, die ein Problem für dich sind. Du kannst dies digital oder analog tun. Für digitale Optionen kannst du eine App, Word, Text Editor, oder Textnachrichten auf deinem Handy usw. nutzen. Für analoge Optionen kannst du ein einfaches Blatt Papier und einen Stift, einen Planer, ein Whiteboard, Haftnotizen usw. nutzen. Halte deine Liste jederzeit bereit, sodass du Dinge hinzufügen kannst, sobald sie sich ergeben.
Sobald du deine Liste angefangen hast, such dir einen Punkt aus und arbeite ihn ab, wenn du kannst und willst. Löse ein Problem nach dem Anderen. Mache einen Schritt nach dem Anderen. Erledige eine Aufgabe nach der Anderen.
MACH PAUSEN
Während eine Liste abzuarbeiten gut ist, vergiss nicht, Pausen zu machen. Was du gerade durchmachst kann ermüdend sein. Fülle deine Pausen mit Dingen, die dir dabei helfen, alles zu bewältigen. Dinge, die dich beruhigen, dich erden, dich entspannen, dir Spaß machen, dich ablenken. Und vergiss nicht, zu essen, zu trinken, zu schlafen, und deine Medikamente zu nehmen.
VERÄNDERUNGEN
Autisten tendieren dazu, Routinen und Gleichheit zu brauchen, um diese Welt bewältigen zu können. Während einer Pandemie sind jedoch Schulen, Kinderbetreuung, Arbeit, Betreuungsangebote, Therapien, Sportvereine – all die Dinge, die Autisten normalerweise Routine und Struktur geben, plötzlich verschwunden. Diese Veränderungen können für uns schwerwiegenden Stress bedeuten. VIELLEICHT KANN FOLGENDES HELFEN…
HALTE SO VIELE ROUTINEN AUFRECHT WIE MÖGLICH
Teile große Routinen in ihre kleineren Teile auf und finde heraus, welche dieser Teile du vielleicht aufrecht erhalten kannst.
BEISPIELE
VERLORENE ROUTINE: Schulen sind geschlossen.
GEFUNDENE ROUTINE: Stehe weiterhin zur selben Zeit auf, mach dich fertig, iss dein Frühstück, mache Schularbeiten, mache zur gleichen Zeit Pause, iss zur gleichen Zeit usw.
VERLORENE ROUTINE: Kein Mittagessen mehr auf der Arbeit.
GEFUNDENE ROUTINE: Iss zur gleichen Zeit Mittag wie auf der Arbeit und iss das selbe Essen.
VERLORENE ROUTINE: Wöchentliche Therapiestunden sind abgesagt.
GEFUNDENE ROUTINE: ”Gehe” am gleichen Tag, zur gleichen Zeit zur Therapie, zum gleichen Therepauten, nur jetzt per Videoanruf anstatt persönlich.
SCHAFFE NEUE ROUTINEN
Jede Veränderung in unseren Routinen kann für Autisten extrem schwierig sein. Teile von Routinen so weit wie möglich aufrecht zu erhalten kann helfen. Dies ist jedoch nicht immer möglich. Dann kann neue Routinen zu schaffen, anstatt zu improvisieren, es leichter machen.
Eine Tagesstruktur kann hierbei helfen. Schaffe Routinenblöcke, die jeden Tag gleich bleiben. Eine tägliche Morgen-, Mittag-, und Abendroutine zu haben, kann den Stress vom Verlust gewöhnlicher Routinen bereits abmildern.
Weitere Routinenblöcke zur Tagesstruktur hinzuzufügen kann genug Struktur liefern, um zurecht zu kommen. Ein paar mögliche Routinenblöcke sind Putzzeit, Spezialinteressenzeit, Zeit für virtuelle Sozialkontakte, Haustierzeit, und Sportzeit.
BENUTZE GLEICHHEIT UM STRESS ABZUMILDERN
Wann immer Veränderungen unvermeidlich sind, kann es helfen, sie mit Gleichheit abzumildern. Glücklicherweise kommt Gleichheit nicht nur von unseren Routinen. Trost und Erdung durch Gleichheit kommen auch von:
– Kleidung
– Essen und Trinken
– Dinge anhören, ansehen, lessen
– Komfortgegenständen
– Spezialinteressen
– Sozialen Medien
– virtuellem Kontakt mit Freunden und Familie
– Haustieren
– Stimming
UNGEWISSHEIT
Gewissheit hilft Autisten zurechtzukommen. Dinge sicher zu wissen bietet ein stabiles Gerüst, um das herum man sein Leben aufbauen kann. Um das herum man funktionieren kann. Fällt dieses Gerüst weg, geraten Autisten oft in eine unfreiwillige, unkontrollierbare Spirale von chaotischen Gedanken, Angst, und Stress.
So viel über das neue Virus ist noch unbekannt. Öffentliche Richtlinien und Maßnahmen der Regierung verändern sich immer wieder. Fehlinformationen verbreiten sich online. All das lässt Autisten mit jeder Menge Ungewissheit zurück. VIELLEICHT KANN FOLGENDES HELFEN…
HOL DIR INFORMATIONEN AUS OFFIZIELLEN, VERTRAUENSWÜRDIGEN QUELLEN
Informationsquellen zu haben, von denen du weißt, dass du ihnen vertrauen kannst, ohne dass du sie anzweifeln musst, liefert Gewissheit in ungewissen Zeiten. Meine erste Anlaufstelle für sichere Informationen ist das Bundesgesundheitsministerium. Festzustellen, welche Quellen vertrauenswürdig sind, ist in sich selbst eine ungewisse Sache, weshalb ich hier nur die vorschlage, bei der ich mir tatsächlich sicher bin.
VERMEIDE AKTIV FRAGWÜRDIGE INFORMATIONSQUELLEN
In sozialen Medien möchtest du vielleicht Worte stummschalten, die mit der aktuellen Situation zu tun haben. Du kannst Accounts stummschalten und/oder blockieren, die unbestätigte Informationen verbreiten. Durchstöbere nicht ungezielt das Internet, und nimm nicht einfach alles auf, was du finden kannst. Schaue nur seriöse Nachrichtenkanäle.
RÜCKVERSICHERUNG
Informationen einfach nur zu bekommen, mag für viele Autisten nicht gut genug sein. Wir brauchen vielleicht auch Rückversicherung über die Informationen, die wir erhalten.
Autisten müssen vielleicht:
– dieselben Informationen von mehreren Quellen erhalten, um sie zu bestätigen
– jedes bischen an Informationen recherchieren, das wir finden können
– Quellen immer wieder kontrollieren, um festzustellen ob unsere Informationen [noch] stimmen
– die selben Fragen wieder und wieder fragen und beantwortet bekommen
– Informationen die wir haben gegenüber uns selbst oder Anderen wieder und wieder wiederholen
ANGST
Kontrollverlust, Überwältigung, Veränderung, und Ungewissheit verursachen in vielen Autisten Angst. Solche Angst ist sicherlich verständlich und zulässig. Allerdings ist es wichtig, Möglichkeiten zu haben, Angst etwas entgegen zu setzen, um sie so weit wie möglich zu minimieren. VIELLEICHT KANN FOLGENDES HELFEN…
Kontere Angst körperlich – mit Stimming, Sport, Bewegung, und Medikamenten.
Kontere Angst kognitiv – mit Logik, und Fakten.
Kontere Angst mental – mit Erdungstechniken, Achtsamkeit, und Ablenkung.
Kontere Angst emotional – mit Unterstützung von Freunden und Familie, Haustieren, und Onlineuntersützung.
UNTERSTÜTZUNG
Viele Autisten werden Unterstützung brauchen, um durch schwere Zeiten zu kommen. Deshalb ist es wichtig zu wissen, welche Unterstützung für dich verfügbar ist. Bitte zögere nicht, sie wie notwendig zu nutzen. Egal, ob deine Unterstützung von Familienmitgliedern, Freunden, Fachleuten Ärzten oder Betreuern, sozialen Medien, oder sonstwo her kommt – solange es dir hilft, ist es gut.
Bitte wisse, dass die online Gemeinschaft von Autisten für dich da ist. Du kannst uns auf Twitter via #AskingAutistics und #ActuallyAutistic finden. Wir stecken alle zusammen in der aktuellen Situation, auch wenn du das Gefühl hast, alleine zu sein. Wir sind für dich da.
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