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NICHT-SPRECHEND UND NON-VERBAL
WAS “NON-VERBAL” UND “NICHT-SPRECHEND” BEDEUTEN
„Non-verbal“ bedeutet, nicht mit Worten zu kommunizieren.
„Nicht-sprechend“ bedeutet, nicht mit mündlicher Sprache zu kommunizieren.
Weder “non-verbal”, noch “nicht-sprechend” bedeutet, dass jemand nicht kommuniziert.
Non-verbale Menschen kommunizieren beispielsweise mit Vokalisierungen, Gesichtsausdrücken, Körperhaltungen, Bewegungen, Augenkontakt, Gesten, Interaktionen mit anderen Menschen, usw. Nicht-sprechende Menschen kommunizieren beispielsweise mit Schreiben, Tippen, AAC Geräten und Apps, Buchstabentafeln, Symbolkarten, Bildkarten, usw.
Weder “non-verbal”, noch “nicht-sprechend” bezieht sich auf die rezeptiven Sprachfähigkeiten einer Person. Stattdessen beziehen sie sich beide auf die expressive Nutzung von Sprache einer Person.
Das bedeuet, dass sie nicht beschreiben, ob jemand Sprache versteht oder nicht. Stattdessen beschreiben sie, ob jemand Sprache oder Worte zur eigenen Kommunikation benutzt oder nicht.
NICHT-SPRECHENDE UND NON-VERBALE MENSCHEN WERDEN MASSIV MARGINALISIERT
Die Kommunikationsunterschiede nicht-sprechender und non-verbaler Menschen werden häufig fälschlicherweise als die Unfähigkeit Sprache zu verstehen, Gedanken zu haben, und als intellektuell weniger kompetent und fähig zu sein wahrgenommen, oder dargestellt.
Nicht-sprechende und non-verbale Menschen werden routinemäßig entmenschlicht und als weniger wert gesehen. Ihnen werden ihre Rechte auf Autonomie und Handlungsfähigkeit verwehrt. Sie werden Segregation, Institutionalisierung, und Missbrauch ausgesetzt. Nicht-sprechenden und non-verbalen Menschen wird routinemäßig der Zugang zu bedeutungsvoller Bildung, Arbeit, und Inklusion verwehrt. Sie werden in allen Bereichen des Lebens marginalisiert.
Non-verbalen und nicht-sprechenden Menschen wird routinemäßig der Zugang zu Kommunikationsmethoden und der Unterstützung verwehrt, die sie brauchen, um diese nutzen zu können.
Sie werden schädlichen „Therapien“ und „Behandlungen“ ausgesetzt. Ihnen wird der Zungang zu Therapien und Behandlungen verwehrt, von denen sie profitieren würden. Beim Nutzen bestimmter Kommunikationsmethoden wird non-verbalen und nicht sprechenden Menschen vorgeworfen, dass nicht sie selbst, sondern ihr Kommunikationspartner kommuniziert. Manchen wird vorgeworfen, sie würden ihre Sprachschwierigkeiten nur vortäuschen, oder würden absichtlich nicht sprechen.
Zusätzlich dazu haben nicht-sprechende und non-verbale Menschen, die noch zu anderen marginalisierten Gruppen gehören, ein noch höheres Risiko für die oben genannten Dinge.
GRÜNDE DAFÜR, NICHT-SPRECHEND ODER NON-VERBAL ZU SEIN
Nicht-sprechend und non-verbal selbst sind keine Diagnosen. Sie sind Oberbegriffe, die Eigenschaften beschreiben. Diese Eigenschaften sind, keine Worte (non-verbal), oder keine mündliche Sprache (nicht-sprechend) zur Kommunikation zu benutzen.
Viele verschiedene Behinderungen und Erkrankungen können dazu führen, dass diese Eigenschaften in einer Person vorkommen. Eine Person kann eine oder mehrere Behinderungen/Erkrankungen haben, die dafür sorgen, dass sie nicht-sprechend und/oder non-verbal ist und diese Behinderungen/Erkrankungen können miteinander interagieren.
Hier sind einige Behinderungen/Erkrankungen, die dafür sorgen können, dass jemand nicht-sprechend und/oder non-verbal ist:
Autismus
Apraxie
Selektiver Mutismus
Zerebralparese
Stottern
Down-Syndrom
Tourette-Syndrom
Muskuläre Dystrophien
Aphasie
Locked-In-Syndrom
Schädel-Hirn-Verletzungen
Demenz
ALS (Amyotrophe Lateralsklerose)
Tracheostomien
Laryngektomien
DAS NICHT-SPRECHENDE UND NON-VERBALE SPEKTRUM
Nicht-sprechend und non-verbal sind Spektren. Dies bedeutet, dass Auftreten, Häufigkeit, Dauer, und Schwere des nicht-sprechend und/oder non-verbal Seins von Person zu Person verschieden sein können, und sich für jede Person die sie erlebt verändern und schwanken können.
Weil hinter diesen Oberbegriffen eine so große Breite an gelebten Erfahrungen steckt, ist es oft hilfreich, die Umstände einer Person oder Gruppe näher zu beschreiben, als nur mit „nicht-sprechend“ oder „non-verbal“.
Hier sind einige Begriffe, um “nicht-sprechend“ und „non-verbal“ genauer zu beschreiben:
– nenne die Behinderung/Erkrankung, die das nicht-sprechend/non-verbal Sein auslöst
– vollständig nicht-sprechend/non-verbal
– hauptsächlich nicht-sprechend/non-verbal
– intermittierend nicht-sprechend/non-verbal
– vorrübergehend nicht-sprechend/non-verbal
– unzuverlässlicher Sprecher
– AAC Nutzer
– Körper-Geist-Trennung
– echolalisch/Echolalie/echot
– palilalisch/Palilalie/echot
– skriptet
– schreibt um zu kommunizieren
– benutzt Bildkarten um zu kommunizieren
– benutzt Gebärdensprache um zu kommunizieren
– gestikuliert um zu kommunizieren
– vokalisiert/benutzt Vokalisationen um zu kommunizieren
– benutzt ein paar Wörter
– funktionale Sprache
– vokales Stimming
– kommunikationsbedingte Behinderung/Erkrankung
– Kommunikationsbehinderung
– sprachbedingte Behinderung/Erkrankung
– Sprachbehinderung/erkrankung
– motorische Schwierigkeiten
– sensorische Verarbeitung
– kognitive Verarbeitung
Dies sind nur einige der möglichen Begriffe. Es gibt viele weitere. Bitte beachte, dass es immer dem nicht-sprechenden/non-verbalen Menschen überlassen sein sollte, welche Label er mag, nicht mag, benutzen möchte, und welche Andere für ihn benutzen sollen.
PERSÖNLICHE ERFAHRUNGEN DAMIT, NICHT-SPRECHEND UND NON-VERBAL ZU SEIN
Ich bin aufgrund von verschiedenen Behinderungen intermittierend nicht-sprechend und intermittierend non-verbal.
Ich bin autistisch. Diese neurologische entwicklungsbedingte Behinderung verursacht Verarbeitungsveränderungen, welche zu Sprachschwierigkeiten führen können. Ich werde nicht-sprechend oder non-verbal, wenn ich mehr verarbeiten muss, als mein Gehirn kann. Ob ich nicht-sprechend oder non-verbal werde, ob ich noch mit anderen Kommunikationsmethoden wie meinem AAC Gerät kommunizieren kann, wie oft dies passiert, wie schwerwiegend es ist, und wie lange es andauert, hängt von einer Reihe von Faktoren ab.
Während eines Meltdowns bin ich non-verbal und kann keine alternativen Kommunikationsmethoden nutzen. Dies hält oft auch durch die Erholungsphase hindurch an. Während eines Shutdowns kann ich meist nicht sprechen, kann jedoch noch verbal kommunizieren, beispielsweise mit meinem AAC Gerät. Overload macht mich öfter nicht-sprechend, als non-verbal.
Sprache ist für mich so oder so erschöpfend, weshalb mein AAC Gerät zu benutzen, anstatt mündliche Sprache zu erzwingen für mich ein unglaublich wichtiges Hilfsmittel für meinen Autismus ist. Dies zu tun, kann Overload und Burnout verhindern.
Ich habe Selektiven Mutismus und eine Generalisierte Angststörung. Wenn mein Selektiver Mutismus getriggert wird, verursacht die daraus resultierende Einfrierreaktion, dass ich nicht sprechen kann. Ich kann zwar noch größtenteils normal denken, weiß, was ich sagen möchte, kann aber meinen Sprachmechanismus nicht zum Funktionieren bringen, kann keine Worte aus meinem Mund bekommen.
Wie oft dies passiert, wie schwerwiegend es ist, und wie lange es andauert, hängt von einer Reihe von Faktoren ab, genau wie beim Nichtsprechen aufgrund meines Autismusses.
Ich habe Migräne. Migräne ist eine neurologische Erkrankung. Während eines akuten Migränenanfalls ist meine Motorik beeinträchtigt. Ich verliere das Gefühl in einer Körperseite, Gesicht, Rachen, Zunge, und Lippen eingeschlossen. Ich kann meine Muskeln nicht so kontrollieren, wie sonst. Dies führt dazu, dass ich nur noch undeutlich bis gar nicht mehr sprechen kann.
Je nachdem, wie schwerwiegend meine Migräne meine kognitiven Funktionen beeinträchtigt, werde ich entweder niht-sprechend, oder non-verbal. Meine migränebedingten nicht-sprechenden oder non-verbalen Episoden dauern zwischen 15 Minuten und 8 Stunden. Während meiner Migräne Erholungsphase ist meine Sprache weiter unzuverlässig.
All meine Behinderungen und Erkrankungen interagieren miteinander. Sie beeinträchtigen meine Sprache einzeln und in Zusammenwirkung miteinander. Andere Faktoren, wie meine chronischen Erkrankungen, chronischen Schmerzen, ob ich krank, hungrid, müde bin, usw. haben alle ebenfalls Einfluss auf meine Sprachfähigkeiten.
WAS KANN HELFEN?
1. Welche Behandlungen/Therapien/Unterstützungen/Hilfsmittel/usw. für jeden einzelnen nicht-sprechenden und non-verbalen Menschen hilfreich sein können, hängt von der Ursache für das Nicht-sprechen und non-verbal Sein, sowie den Umständen der Person ab.
2. Sämtliche Arten von Kommunikation sind valide. Was auch immer für jemanden funktioniert, ist valide. Mündliche Sprache ist nicht besser, als andere Arten der Kommunikation. Respektiere stets, wie ein Mensch kommuniziert.
3. Verständnis, Akzeptanz, Selbstvertretung, Autonomie, Selbstbestimmung, Rechte, Gerechtigkeit, Inklusion, und Barrierefreiheit sind für alle gedacht.
Ich rate ausdrücklich dazu, sich auf die Suche nach Menschen zu machen, die gelebte Erfahrungen mit der/den gleichen Behinderung/en und Erkrankung/en haben, wie du, oder die Person, der du helfen möchtest. Ihre Unterstützung ist unbezahlbar.
BEISPIELE FÜR BEHANDLUNGEN FÜR SPRACHSCHWIERIGKEITEN
– Sprachtherapie
– Physiotherapie
– Ergotherapie
– Senso-motor Behandlungen
– Perzeptiv-motor Behandlungen
– Visuelle-motor Behandlungen
– Grobmotorik Behandlungen
– Feinmotorik Behandlungen
– sensorische Integration
BEISPIELE FÜR ALTERNATIVE KOMMUNIKATIONSMETHODEN
– symbolbasierte AAC
– textbasierte AAC
– AAC Geräte
– AAC Apps
– VOCAs (Voice Output Communication Aids – Kommunikationshilfen mit Sprachausgabe)
– Buchstabentafeln
– Worttafeln
– Bildkarten/Symbolkarten
– Gesten und Deuten
– Gebärdensprachen
– gebärdete Sprachen
– Gebärdensysteme
– Stift und Papier
– Whiteboard und Marker
– Augendeuten
– vokalisieren
– Gesichtsausdrücke
– Körperhaltungen und Bewegungen
BEISPIELE FÜR ANDERE UNTERSTÜTZUNGEN UND ANPASSUNGEN FÜR SPRACHSCHWIERIGKEITEN
– erlaube ausreichend Zeit um zu kommunizieren
– beseitige jeden Druck zu sprechen
– erlaube mehr Zeit für Tests und Arbeiten
– kläre Menschen über Sprachunterschiede auf
– ermögliche Selbstvertretung
– ermögliche Zugang zu alternativen Kommunikationsmethoden
– baue Zugangsbarrieren ab
– biete Alternativen zu Anrufen an (z.B. Email)
– nimm einer Person niemals ihre Kommunikationsmethode web (z.B. nimm niemals ihr AAC Gerät weg)
– Hilfsmaßnahmepläne
– Unterstützungspersonal
– erlaube schriftliche statt mündlicher Mitarbeit
WEITERE RESSOURCEN
Weil die beste Quelle für Informationen dazu, nicht-sprechend zu sein, von denen kommt, die Lebenserfahrung damit haben, hier einige autistische Menschen, die alle irgendwo auf dem nicht-sprechenden Spektrum liegen:
IDO KEDAR
SARAH STUP
JAY
SONJA
JUDY ENDOW
Mel Baggs at BALLASTEXISTENZ R.I.P
JORDYN
GRACIELA LOTHARIUS
HENRY
CINDI
EMMA
PHILIP
CommunicationFIRST ist eine US-amerikanische Organisation von und für nicht-sprechende Menschen.
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