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PROBLEMVERHALTEN – EIN BEHINDERTENFEINDLICHES KONZEPT
PROBLEM? WARUM UND FÜR WEN?
“Problemverhalten” ist ein vollkommen willkürliches, erfundenes Konzept nichtbehinderter Menschen, um behinderte Menschen in Normen zu zwingen, die ebenfalls vollkommen willkürlich und erfunden sind.
Das Konzept hinter dem Begriff „Problemverhalten“ unterstellt zwei Dinge:
1. Dass das in Frage gestellte Verhalten selbst ein Problem ist.
2. Dass die Person, die das Verhalten zeigt, ein Problem für andere verursacht, weil sie das Verhalten verursacht.
Menschen nennen normalerweise Verhalten „Problemverhalten“, weil sie finden, dass sie dadurch ein Problem bekommen.
Nicht, weil das Verhalten tatsächlich ein Problem darstellt.
Dies ist often damit verbunden, dass Menschen Dinge erreichen wollen und das „Problemverhalten“ dem im Wege steht, weshalb es ein Problem wird, dass es zu lösen gilt, um das eigene Ziel zu erreichen. Oder weil Menschen sich von einem Verhalten gestört fühlen, es nicht verstehen, und wollen, dass es aufhört.
”PROBLEMVERHALTEN” IST EIN ABLEISTISCHES KONZEPT
Die Verwendung des Begriffes basiert auf dem falschen Glauben, dass die Art nichtbehinderter Menschen, Dinge zu tun, die richtige Art ist. Und dass deshalb nichtbehinderte Menschen entscheiden dürfen, was für behinderte Menschen richtig und falsch ist. Dies wiederum basiert auf dem falschen Glauben, dass behinderte Menschen anders und weniger wert sind, als nichtbehinderte Menschen.
Andersherum dürfen behinderte Menschen das Verhalten nichtbehinderter Menschen nicht als Problemverhalten benennen und versuchen, es zu beheben.
Das ist Ableismus (Vorurteile und Diskriminierung gegen Menschen aufgrund ihrer Behinderung).
“PROBLEMVERHALTEN” PATHOLOGISIERT NATÜRLICHES VERHALTEN
Was bei behinderten Menschen „Problemverhalten“ genannt wird, ist oft lediglich natürliches Verhalten. Manches ist Verhalten, das auch nichtbehinderte Menschen zeigen. Manches ist Verhalten, spezifisch für behinderte Menschen. Weder das Eine, noch das Andere, sind unnatürlich, falsch, gestört, oder krank. Ihm eine professionelle Bezeichnung zu geben, verwandelt es jedoch in eine Störung und rechtfertigt, es zu behandeln, um es abzustellen.
”PROBLEMVERHALTEN” WIRD BENUTZT, UM BEHINDERTE ZU VERFREMDEN
Viele Verhaltensweisen, die gesellschaftlich akzeptiert sind, wenn nichtbehinderte Menschen sie zeigen, werden als „Problemverhalten“ angesehen, wenn behinderte Menschen sie zeigen.
Das nennt sich “verfremden”. Behinderte werden als anders angesehen, selbst wenn sie es nicht sind. Dies wird benutzt, um die Andersbehandlung Behinderter zu rechtfertigen.
”PROBLEMVERHALTEN” WIRD OFT NICHT VON DER BEHINDERTEN PERSON VERURSACHT
Tatsächlich ist es oft die nichtbehinderte Person, die etwas „Problemverhalten“ nennt, die überhaupt erst ein Problem schafft. Anstatt einfach die natürliche Art behinderter Menschen zu akzeptieren, entscheidet die nichtbehinderte Person, ein Verhalten problematisch zu finden. So schafft man Probleme, wo keine existieren.
“Problemverhalten” wird oft von genau den Personen verursacht, die sich darüber beschweren.
Stimming von autistischen Menschen wird beispielsweise oft von überwältigender sozialer Interaktion, oder einer Umgebung, die Reizverarbeitungsbedürfnisse ignoriert, ausgelöst. Beides Dinge, die oft von nichtautistischen Menschen um die autistischen Menschen herum verursacht werden. Oder von einer Umgebung, die von nichtautistischen Menschen geschaffen wurde. Nicht von autistischen Menschen selber.
“PROBLEMVERHALTEN” ALS RECHTFERTIGUNG FÜR UNRECHT
Sobald ein Verhalten als „Problemverhalten“ deklariert wurde, wird es gesellschaftlich akzeptiert, zu versuchen, es zu korrigieren.
Besteht ein Problem, muss es gelöst werden. Und weil die behinderte Person als Ursache des Problems gesehen wird, glaubt die Gesellschaft, dass es nichts ausmacht, wenn die Problemlösung der Person schadet. Weil es gesellschaftlich akzeptiert ist, dass du ein Teil des Problems bist, wenn du nicht Teil der Lösung bist. Also wirst du auch wie ein Problem behandelt.
Autistische Menschen werden im Judge Rotenberg Zentrum für „Problemverhalten“ hunderte Male pro Tag mit Elektroschocks gefoltert.
Subtilere Formen der Entmenschlichung aufgrund von “Problemverhalten” geschieht behinderten Menschen jeden Tag. Am Häufigsten ist vielleicht, nicht ernst genommen zu werden.
Es herrscht ein grundsätzlicher Mangel an Respekt. Und nur, weil bestimmte Verhaltensweisen einmal als problematisch deklariert wurden. Nicht, weil es einen legitimen Grund dafür gibt, die behinderte Person weniger ernst zu nehmen, als eine nicht behinderte Person.
“Problemverhalten” wird oft als Hinweise dafür angesehen, dass eine behinderte Person weniger intelligent ist, was dann als Rechtfertigung für Misshandlungen benutzt wird.
Nichtbehinderte Menschen scheinen prinzipiell zu erwarten, dass behinderte Menschen in der Öffentlichkeit ihre “Problemverhalten” unterdrücken (siehe auch Masking und Passing).
IST “PROBLEMVERHALTEN” JEMALS EIN AKZEPTABLER BEGRIFF?
Nicht, solange es mit dem Konzept verbunden ist, unter dem er historisch benutzt wurde und noch heute benutzt wird.
Theoretisch, wenn wir lediglich den Begriff selbst betrachten, ohne das damit verknüpfte Konzept – ja.
Verhalten kann definitiv problematisch sein. Solange der Begriff angemessenerweise und für jeden gleichwertig verwendet würde, wäre er in Ordnung.
Das würde auch bedeuten, dass nur tatsächlich problematisches Verhalten auch “problematisch” genannt würde. Also nur Verhalten, das potentiell oder tatsächlich schädlich ist. Nicht Verhalten, das nur anders ist.
WAS KANN ICH STATTDESSEN SAGEN?
Eine gute Alternative für „Problemverhalten“ zu finden hängt also davon ab, was genau man beschreiben möchte.
“Problemverhalten” könnten beispielsweise sein:
– Bewältigungsmechanismen
– Anzeichen einer Notlage
– Stimming
– Selbstverletzung
– eine andere Art des Seins
Ich möchte alle dazu ermuntern, die #BehaviorsMean (#VerhaltenBedeutet) Diskussion zu diesem Thema auf Twitter HIER zu lesen.
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