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NAHRUNG – AUTISMUS UND ESSEN
ESSEN – EIN SENSORISCHES GANZKÖRPERERLEBNIS
Essen ist ein sensorisches Ganzkörpererlebnis und als Autist gilt das für mich umso mehr. Essen füllt nicht nur meinen Magen und stillt meinen Hunger. Geruch, Geschmack, Gefühl, Struktur – Essen stimuliert all meine Sinne.
Das kann sowohl wirklich toll sein, wie auch wirklich schrecklich.
Wenn ich Dinge esse, die ich mag, ist mein ganzer Körper glücklich. Ich erlebe den Geruch und den Geschmack, ich fühle die Struktur. Kauen ist ein prima Stim. Vertraute Geschmäcker sind eine Quelle von Sicherheit, Geborgenheit, und Behaglichkeit.
Wenn ich mag, was ich esse, stimme ich zufrieden, vokalisiere viele „Hm!“s und kleine Quietscher, die mein Mann als verlässliche Zeichen dafür wertschätzt, dass es mir schmeckt. Gutes Essen entspannt mich intensiv. Ich liebe es, Essen das nicht tropft mit den Händen zu essen, weil ich hauptsächlich mit den Händen stimme und Essen anzufassen ist ein intensivse sensorisches Erlebnis.
Wenn ich Dinge esse, die ich nicht mag, ist mein ganzer Körper unglücklich. Schlechte Gerüche retten mich oft vor dem nächsten Schritt – schlechtem Geschmack. Schlechte Gerüche, Geschmäcker, und Strukturen triggern eine Reaktion in meinem ganzen Körper. Meine Muskeln verspannen sich, mein Magen streikt, mir wird schlecht, vielleicht muss ich sogar würgen.
Wenn es ganz schlimm ist, muss ich ausspucken, was auch immer ich im Mund habe. Ich schäme mich heute nicht mehr dafür und ich lasse mich von niemandem zwingen, Dinge zu essen, jetzt wo ich erwachsen bin und diese Macht habe. Ich fühle intensiv mit Autisten, die diese Autonomie nicht haben. Es ist eine quälende Erfahrung, Dinge essen zu müssen, die deinen gesamten Körper angreifen.
Es gibt bestimmte Dinge, die ich nicht essen kann, weil sie augenblicklich Reizüberflutung auslösen. Fett an Fleisch ist so ein Ding. Die Struktur und das Gefühl in meinem Mund lassen mich augenblicklich würgen. Kokosnuss und Ananas gehen auch gar nicht. Fisch ist ebenfalls ein großes Problem. Essen, das zwischen meinen Zähnen stecken bleibt, ist ein Problem. Und an manchen Tagen kämpfe ich damit, richtig zu schlucken. Ein weiteres Problem ist breiiges Essen. Und ich mag es gar nicht, wenn verschiedene Nahrungsmittel auf meinem Teller sich berühren oder gar vermischt sind.
Wir alle haben Dinge, die wir nicht essen wollen. Autisten können bestimmte Dinge nicht essen, weil unsere körperlichen Reaktionen viel stärker sind, als die von Nichtautisten. Und das ist okay!
Ich probiere trotzdem regelmäßig neue Dinge, weil ich es unheimlich liebe, neue Lieblingsessen zu entdecken. Aber ich zwinge mich nicht dazu, Dinge zu essen, die negative Reaktionen verursachen. Wenn ich etwas Neues probiere, rieche ich meist zuerst daran, um zu sehen, ob es zu probieren für mich tatsächlich sicher ist. Dies wird von Anderen oft als abwertend angesehen, aber es ist lediglich eine notwendige Sicherheitsmaßnahme, um mich zu schützen.
MEINE SINNE SIND HYPERSENSIBEL
Ich wurde, genauso wie viele Autisten, unter dem Stigma erzogen, ein pingeliuger Esser zu sein. Bin ich nicht. Ich habe lediglich edürfnisse, die ich erfüllen muss, um gesund und glücklich zu bleiben. Also tue ich genau das so gut ich kann.
Meine Sinne sind sensibler als die von Nichtautisten. Und während das für mich viele Probleme verursacht, so kann es auch sehr hilfreich sein.
Ich bin gewöhnlich der Erste und oft der Einzige, der weiß, wenn etwas schlecht wird, ehe es eine Gefahr für die Gesundheit ist. Ich bin regelmäßig der Einzige, der minimale Gerüche oder Geschmäcker wahrnimmt.
Wie die 0,1% Kokosnuss, die ich in dem Joghurt gerochen habe, auf dessen Label nicht “Mit Kokosnuss” stand. Ich musste es in der Liste der Inhaltsstoffe finden, um es meiner Familie zu beweisen.
Wie die Milch, die schlecht war, was ich gerochen habe, während der Rest meiner Familie einen Schluck nehmen musste, um es zu schmecken.
Wie der Hauch von Haselnuss im Stracciatella Eis, den ich geschmeckt habe, der nicht auf dem Label stand. Wieder musste ich es in der Liste der Inhaltsstoffe finden, um es meiner Familie zu beweisen.
Wie die Tatsache, dass mein Mann meine Suppe hat anbrennen lassen, was ich gerochen habe, obwohl er versucht hat, es vor mir zu verstecken.
Wie jedes Mal, wenn jemand ein bekanntes Rezept nur minimalst verändert.
Ich kann mich auf meinen Geruch und Geschmack verlassen. Also tue ich das!
ESSEN ALS RITUAL
Rituale und Routinen spielen im Leben der meisten Autisten eine große Rolle. Ich bin da keine Ausnahme. Und weil Essen so ein großer Teil des Lebens ist und so große Auswirkungen auf mich hat, wird es auch Teil meiner Rituale.
Ich teile nicht alle meine Rituale mit Anderen, weil sie im Laufe meines Lebens von „Fachleuten“ so pathologisiert wurden, die versucht haben, mich davon zu überzeugen, dass sie mich unflexibel machen und gestört sind. Aber ich werde eines das Essen betrifft mit euch teilen.
Ich esse monatelang jeden Tag das selbe zum Frühstück und Abendbrot. Ich bereite es jedes Mal auf exakt die selbe Art und Weise zu und esse es auf exakt die selbe Art und Weise. Dieses Ritual ist ein großer Teil meiner Morgen- und Abendroutinen.
Viele meiner Rituale beinhalten was ich esse, wann ich es esse, wie ich es zubereite, und wie ich es esse. Dies stellt sicher, dass ich tatsächlich esse und bietet Sicherheit durch Gleichheit und Vorhersehbarkeit in einer chaotischen Welt.
ESSEN IST KOMPLIZIERT
Neben den sensorischen Herausforderungen ist auch der simple Fakt des Essens an sich etwas, das ich bedenken muss. Warum? Wegen meiner Exekutiven Dysfunktion.
Exekutive Dysfunktion macht es schwierig für mich, daran zu denken, zu essen. Noch schwieriger ist es, daran zu denken und Essen rechtzeitig zuzubereiten, damit ich essen kann sobald ich es brauche. Oft denke ich erst daran, etwas zu essen, wenn mir bereits schwindelig ist und ich Kopfschmerzen habe, weil ich nicht rechtzeitig gegessen habe.
Eine andere schwierige Aufgabe, die viel Exekutive Funktion verlangt, die ich nicht habe, ist das Planen von, Einkaufen für, und Zubereiten von Mahlzeiten. Das ist etwas, dass ich zur Zeit nicht kann, weshalb ich darauf angewiesen bin, Fertigmahlzeiten zu essen, oder dass andere Menschen für mich kochen.
Letztendlich läuft meine Beziehung zu Essen auf Folgendes hinaus:
Ich muss essen. Also versuche ich, es so einfach und angenehm wie möglich zu gestalten.
Hier sind ein paar andere autistische Perspektiven zum Thema Essen:
SARA from SEEKING SARA
ALYSSA from YES, THAT TOO
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