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BEHINDERTENWERKSTATT – SOLLTE SIE ABGESCHAFFT WERDEN?
Willkommen zum 5. Teil meiner Blogserie „BEHINDERTENWERKSTÄTTEN“
Der gesamte Inhalt dieser Serie:
TEIL 1 – ÜBERSICHT
TEIL 2 – BEHINDERTENWERKSTÄTTEN UND AUTISMUS
TEIL 3 – PERSÖNLICHE ERFAHRUNG
TEIL 4 – ARBEITSBEISPIELE
TEIL 5 – SOLLTEN BEHINDERTENWERKSTÄTTEN ABGESCHAFFT WERDEN?
Bitte beachten, dass ich mich in Deutschland befinde und bestimmte Dinge in anderen Ländern anders sein können.
WARUM BEHINDERTENWERKSTÄTTEN PROBLEMATISCH SIND
Werkstätten für behinderte Menschen…
…beuten behinderte Menschen aus, indem sie sehr geringe Löhne unter Mindestlohn zahlen (durchschnittlich 1,50€/Stunde).
…sollen eigentlich vorrübergehende Beschäftigungsplätze sein, die behinderte Menschen in reguläre Jobs bringen, aber dies geschieht nur in unter 1% der Fälle.
…sind segregiert und stellen ein Inklusionshindernis dar.
…können behinderte Menschen isolieren, was deren Risiko für Missbrauch erhöht.
…können sich nicht an alles und jeden anpassen.
Ich habe über diese Probleme ausführlich in TEIL 1 – ÜBERSICHT geschrieben.
Dass Werkstätten Löhne weit unter Mindestlohn zahlen und behinderte Menschen so gut wie nie in reguläre Jobs bringen, steht auch im Gegensatz zur BEHINDERTENRECHTSKONVENTION (CRPD) der Vereinigten Nationen.
ARTIKEL 27 – ARBEIT UND BESCHÄFTIGUNG der Behindertenrechtskonvention besagt, dass behinderte Menschen das Recht “auf die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, die in einem offenen, integrativen und für Menschen mit Behinderungen zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld frei gewählt oder angenommen wird” haben.
WIE KÖNNEN WIR DIESE PROBLEME LÖSEN?
BEHINDERTENWERKSTÄTTEN ÜBERARBEITEN
Eine Möglichkeit könnte die Überarbeitung von Werkstätten für behinderte Menschen sein.
Jeder behinderten Person wird wenigstens der Mindestlohn gezahlt.
Werkstätten werden in die befristeten Übergangseinrichtungen verwandelt, als die sie eigentlich gedacht sind. Das bedeutet keine dauerhafte Beschäftigung, sondern ein Übergangsprogramm. Dessen Hauptaufgabe ist die Vermittlung notwendiger Fähigkeiten und das Finden von zugänglichen, angemessenen Arbeitsplätzen.
Um reguläre Anstellung für behinderte Menschen möglich zu machen, müssen wir außerdem:
– über 300.000 zugängliche, angemessene Arbeitsplätze finden oder schaffen
(das war die Zahl der Werkstattbeschäftigten in 2017)
– Firmen über Zugänglichkeit, Anpassungen, Behinderung usw. weiterbilden
– Behindertenrechte auf dem regulären Arbeitsmarkt durchsetzen
BEHINDERTENWERKSTÄTTEN ABSCHAFFEN
Eine andere Möglichkeit wäre die Abschaffung von Werkstätten für behinderte Menschen.
Sämtlichem Personal wird fristgerecht gekündigt.
Alle Verträge behinderter Beschäftigte werden beendet.
Alle Unternehmen werden aufgelöst.
Um reguläre Anstellung für behinderte Menschen möglich zu machen, müssen wir außerdem:
– behinderten Menschen alle notwendigen Fähigkeiten für einen regulären Job vermitteln
– behinderten Menschen dabei helfen, reguläre Jobs zu finden
– behinderte Menschen unterstützen, nachdem sie einen regulären Job gefunden haben
– über 300.000 zugängliche, angemessene Arbeitsplätze finden oder schaffen
(das war die Zahl der Werkstattbeschäftigten in 2017)
– Firmen über Zugänglichkeit, Anpassungen, Behinderung usw. weiterbilden
– Behindertenrechte auf dem regulären Arbeitsmarkt durchsetzen
KANN DAS FUNKTIONIEREN?
Behinderte Menschen in reguläre Jobs zu integrieren ist ein komplexes Vorhaben. Wir brauchen spezialisierte Unternehmen und wahrscheinlich eine sehr lange Zeit, um dies zu realisieren. Das bedeutet, wir brauchen in der Übergangsphase immer noch Optionen für behinderte Menschen.
Es gibt ein paar potentielle Probleme mit beiden Ansätzen:
– Mindestlohn zu zahlen könnte Werkstätten pleite gehen lassen
– Firmen sind vielleicht nicht bereit, behinderte Menschen einzustellen, wenn sie Mindestlohn zahlen müssen
– über 300.000 zugängliche Arbeitsplätze existieren vielleicht nicht, oder sind unmöglich zu schaffen
– reguläre Arbeit ist vielleicht nicht für jeden behinderten Menschen möglich
Wenn es nicht funktioniert werden behinderte Menschen vielleicht zurückgelassen, ohne etwas zu tun, ohne einen Ort, wohin sie gehen können, und mit dem Schaden, den das gesamte Unterfangen bei ihnen angerichtet hat.
Bis wir es versuchen wissen wir nicht, ob es funktioniert – aber versuchen müssen wir es, denn der Ist-Zustand ist inakzeptabel.
WER DARF ENTSCHEIDEN?
Ich denke, hier geht es wirklich um zwei Dinge, nicht nur eines:
1. Was passiert mit behinderten Menschen, die in der Zukunft Arbeit brauchen?
2. Was passiert mit behinderten Menschen, die aktuell bereits in Werkstätten beschäftigt sind?
Behinderte Menschen, die Arbeit brauchen, nicht mehr in Werkstätten zu platzieren, ist etwas, das ich unterstütze solange brauchbare Alternativen für sie vorhanden existieren.
Behinderte Menschen aus Werkstätten in reguläre Jobs zu vermitteln ist ebenfalls vollkommen in Ordnung solange das etwas ist, was sie möchten.
Wir müssen auf die betroffenen behinderten Menschen hören, egal ob diese für oder gegen Werkstätten sind. Außerdem müssen wir sicherstellen, dass wir die Interessen der behinderten Menschen verstehen und wahren, die komplexere Bedürfnisse und Verständigungsschwierigkeiten haben.
EIGENE MEINUNG
Als jemand, der in einer Werkstatt für behinderte Menschen arbeitet, ist meine persönliche Meinung:
Zugängliche, angemessene, autonom gewählte reguläre Jobs, die wenigstens Mindestlohn zahlen, für jeden behinderten Menschen in einer inklusiven Gesellschaft ist das Ideal. Überarbeitete Werkstätten, die Mindestlohn zahlen und die vorrübergehenden Einrichtungen sind, die behinderte Menschen in reguläre Jobs bringen, sind brauchbar so lange dieses Ideal noch nicht erreicht wurde.
Zu diskutieren und zu entscheiden, was mit Werkstätten passieren soll, ohne die Menschen, die in ihnen arbeiten, zu konsultieren und auf sie zu hören, ist inakzeptabel. Nichts über uns ohne uns.
FAZIT
Behinderung und Arbeit wird wahrscheinlich nie ein einfaches Thema sein. Aber einige Dinge weiß ich sicher:
1. Jeder verdient es, wenigstens den Mindestlohn zu erhalten.
2. Jeder verdient es, von der Gesellschaft eingeschlossen und gleichwertig behandelt zu werden.
3. Jeder verdient es, seine Bedürfnisse erfüllt zu bekommen.
4. Jeder verdient es, sein volles Potential zu entdecken und zu erfüllen.
5. Jeder verdient Autonomie.
Wir müssen alles Notwendige tun, um diese Dinge Wirklichkeit werden zu lassen.
WEITERE RESOURCEN
Da dies ein unglaublich wichtiges Thema ist und betroffene behinderte Menschen gehört werden müssen, bitte ich darum, in Betracht zu ziehen, auch die folgenden Videos zum Thema anzusehen:
BOTTOM DOLLARS – EIN FILM DER WERKSTÄTTEN IN DEN VEREINIGTEN STAATEN ERKLÄRT UND AUSSAGEN VON BESCHÄFTIGTEN ENTHÄLT
Aussagen von Gloria Marrero, Pamela Steward, Charles Biebl, Roy Rocha, James Meadors, Betty Williams, Tillman Mitchell, Le’Ron Jackson, Sara Frost, Hugh Bertolin, Dexter Smith, Andy Owens, Joe Steffy, Trust Jones, Brendan Welch
[Freundlicherweise auf dieses Video aufmerksam gemacht hat mich SARA auf Twitter]
JOHN ANTON SPRICHT DARÜBER, WENIGER ALS MINDESTLOHN ZU BEKOMMEN
[Freundlicherweise auf dieses Video aufmerksam gemacht hat mich SARA on Twitter]
ÖFFENTLICHE ANHÖRUNG ZUM GESETZENTWURF HB1706
Minuten 5:45-10:30 Erklärung des Gesetzentwurfes
Minuten 29:30-44:25 Aussagen von Ramona Hattendorf, Shaun Bickley, Adrienne Stewart, Jim Larson, Amelia Gross, Ivan Smith, David Lord, Robert Wardell
[Freundlicherweise auf dieses Video aufmerksam gemacht hat mich IVAN auf Twitter]
INHALTSWARNUNG: Von 57:20-1:00:50 und von 1:09:21-1:10:37 macht eine Senatorin wiederholt ableistische Bemerkungen und infantilisiert behinderte Erwachsene.
PUBLIC HEARING ON SENATE BILL 5753
Minutes 53:30-1:19:15 Testimonials from Shaun Bickley, Adrienne Stewart, Amelia Gross, Ivan Smith, Robert Wardell, David Lord, Jim Larson
[Freundlicherweise auf dieses Video aufmerksam gemacht hat mich IVAN auf Twitter]
Dies war der letzte Beitrag dieser Serie.
Der gesamte Inhalt dieser Serie:
TEIL 1 – ÜBERSICHT
TEIL 2 – BEHINDERTENWERKSTÄTTEN UND AUTISMUS
TEIL 3 – PERSÖNLICHE ERFAHRUNG
TEIL 4 – ARBEITSBEISPIELE
TEIL 5 – SOLLTEN BEHINDERTENWERKSTÄTTEN ABGESCHAFFT WERDEN?
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