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SCHWIERIGKEITEN DAMIT, GELOBT ZU WERDEN
WAS LOB IST
Menschen zu loben ist eine Möglichkeit, sie wissen zu lassen, dass sie etwas gut gemacht haben. Zusätzlich zu diesem offensichtlichen Zweck, kann jemanden zu loben auch eine Art sein, ihm zu zeigen, dass man ihn mag und zu schätzen weiß. Lob zu erhalten kann das Selbstwertgefühl von Menschen stärken. Aus diesen Gründen hat Lob einen berechtigten Zweck in sozialer Interaktion.
Außerdem kann Lob in unserer Gesellschaft auch ein soziales Werkzeug namens „Höflichkeit“ sein. In diesem Fall meint eine Person das Lob nicht wirklich ernst, möchte aber höflich sein und die Gefühle des Lobempfängers nicht verletzen.
Letztlich muss leider noch erwähnt werden, dass Lob auch als Verhaltenswerkzeug missbraucht werden kann, um Menschen zu Gehorsam zu nötigen, etwas, das die Basis für ABA “Therapie” bildet – dieser Post handelt aber nicht von dieser missbräuchlichen Art von Lob.
WARUM GELOBT ZU WERDEN FÜR MANCHE MENSCHEN SCHWIERIG IST
Viele Menschen haben Schwierigkeiten damit, gelobt zu werden. Dies kann von einem leichten Unbehagen bis hin zu Panikattacken, Sprachverlust, und ähnlichen schwerwiegenden Reaktionen reichen. Es ist wichtig, zu verstehen, warum jemand Schwierigkeiten damit hat, gelobt zu werden, denn der angemessene Ansatz Menschen damit zu helfen, hängt von dieser Ursache ab.
GERINGES SELBSTWERTGEFÜHL
Jemand mit geringem Selbstwertgefühl tendiert dazu, zu glauben, dass er generell nicht gut genug ist. Gleichermaßen glaubt er oft auch nicht, dass Dinge, die er tut, gut genug sind. Deshalb kann gelobt zu werden schwierig sein, da er nicht glaubt, das Lob verdient zu haben.
PERFEKTIONISMUS
Jemand, der ein Perfektionist ist, hat sehr hohe Erwartungen an sich selbst. Wenn er mit etwas nicht zu 100% zufrieden ist, kann er Schwierigkeiten haben, dafür Lob anzunehmen. Ähnlich, wie bei jemandem mit geringem Selbstwertgefühl, kann Lob sich unverdient anfühlen – die Ursache für dieses Gefühl ist lediglich eine andere.
VERALLGEMEINERUNGEN
Jemand, der Realist oder Pragmatiker ist, weiß genau, was er sehr gut, sehr schlecht, oder mittelmäßig gut kann. Er ist sich darüber im Klaren, wie gut er etwas objektiv betrachtet gemacht hat – im Vergleich zu den eigenen Standards und im Vergleich mit Anderen, die das Gleiche machen. Für ihn ist es schlicht inkorrekt, so etwas wie „Du bist ein brillianter Künstler!“ zu sagen, wenn er weiß, dass er nur durchschnittlich gut ist.
SOZIALE ANGST
Jemand mit sozialer Angst hat Schwiergkeiten mit sozialer Interaktion. Gelobt zu werden ist eine soziale Interaktion und kann daher soziale Angst auslösen. Jemand mag generell Angst vor der sozialer Interaktion haben. Oder jemand mag speziell Angst davor haben, nicht zu wissen, was er tun oder sagen soll, oder jemandes Gefühle zu verletzen.
SPRACH- UND SPRECHSCHWIERIGKEITEN
Jemand mit Sprach- und Sprechschwierigkeiten hat vielleicht Schwierigkeiten mit dem Verarbeitungsteil der Interaktion ums Lob herum. Er weiß vielleicht nicht, was er sagen soll. Oder er kann die Sprache der anderen Person und die eigene nicht so verarbeiten, dass er die Situation komfortabel bewältigen kann.
MÖGLICHE HILFREICHE ANPASSUNGEN
Wie man jemandem, der Schwierigkeiten damit hat, gelobt zu warden, angemessen hilft, hängt von der Person ab. Wir sind alle Individuen, was also für eine Person funktioniert, muss nicht für alle funktionieren. Es darf auch nicht vergessen werden, dass alles, was man tut, mit dem sachkundigen Einverständnis der involvierten Person passieren sollte.
DIE RICHTIGE WORTWAHL
Menschen unterschätzen oft, welchen Unterscheid eine andere Wortwahl machen kann.
Man nehme diese Reaktionsbeispiele auf eine Person, die jemandem ein Bild malt und schenkt:
“Du bist genial!”
– Du, als Gesamtperson “du”, bist genial.
“Du bist ein genialer Künstler!”
– Dieser gesamte bestimmte Teil von dir, deine künstlerischen Fähigkeiten, nicht nur dieses spezielle Bild, ist genial.
“Dieses Bild ist genial!”
– Dieses bestimmte Bild ist genial, über nichts Anderes spreche ich.
“Ich finde dieses Bild genial!”
– Drückt die Gefühle und Gedanken des Beschenkten aus, während sämtliche Gedanken, Gefühle, und Erfahrungen des Schenkenden nicht hinterfragt werden.
SCHRITTWEISES AUSSETZEN
Manchmal ist es am Besten, Lob für eine Weile komplett zu vermeiden. Dies bedeutet, alle betroffenen Personen über das Problem aufzuklären, und ihr okay dafür einzuholen, eine Zeit lang nicht zu loben.
Das schafft eine sichere Umgebung für die Person, die Schwierigkeiten mit Lob hat, in der sie weiterhin Dinge tun kann, sich aber um den Teil mit dem Lob keine Sorgen machen muss. Sobald sie sich ausreichend erholt hat, kann man Lob schrittweise wieder in ihr Leben bringen.
Dann ist es gut, Lob im Voraus anzukündigen, sogar mit dem exakten Wortlaut, sodass die Person mit den Schwierigkeiten sich so gut wie möglich vorbereiten kann. Je weniger Ungewissheit, desto besser.
MENSCHEN NICHT LOBEN, AUSSER SIE BITTEN DARUM
Manche Menschen entscheiden vielleicht, dass sie gar nicht gelobt werden wollen, es sei denn, sie bitten darum. Für sie ist Lob vielleicht nicht notwendig und lediglich Stress. Wenn jemand sich dafür entscheidet, sollte dies akzeptiert werden.
WENIGER DIREKTE WEGE ZU LOBEN FINDEN
Wenn die Schwierigkeiten, Lob anzunehmen, mit dem direkten Sozialkontakt zu tun haben, kann es helfen, nicht direkt persönlich im Moment gelobt zu werden, sondern später über indirektere Methoden. Eine SMS, eine Email, ein Brief, ein Anruf sind mögliche brauchbare Alternativen.
GESELLSCHAFTLICH AKZEPTIERTE REAKTIONEN UND ANTWORTEN LERNEN
Für jemanden, der Schwierigkeiten mit Lob hat, weil er nicht weiß, wie er reagieren soll, kann genau das zu lernen helfen.
Bringt Menschen gesellschaftlich akzeptierte Wörter zum Annehmen von Lob bei. Ein Satz, den man immer im Gedächtnis haben sollte, ist „Danke. Ich weiß das zu schätzen.“, weil er quasi immer passt und das Gespräch außerdem vom Lob weg bewegt.
Bringt Menschen gesellschaftlich akzeptierte Körpersprache und Gesichtsausdrücke bei. Dinge wie den Körper zu der lobenden Person zu drehen, ihr das Gesicht zuzuwenden, sie anzusehen, zu lächen.
Ich sage “gesellschaftlich akzeptiert” und nicht “angemessen”, weil es eine dominante, gesellschaftlich akzeptierte Art und Weise gibt, diese Dinge zu kommunizieren. Andere Arten werden oft als unangemessen betrachtet, sie sind es aber nicht. Wir können Menschen beibringen, was gesellschaftlich akzeptiert ist, ohne ihnen zu vermitteln, dass ihre Art der Kommunikation falsch ist.
PERSÖNLICHE ERFAHRUNG
Ich habe Schwierigkeiten damit, gelobt zu werden.
Ich tue Dinge nicht für Lob. Ich tue sie entweder für mich selbst, oder für andere Menschen.
Zusätzlich bin ich ein Perfektionist, Realist, Pragmatiker, nehme Dinge wörtlich, und habe Schwierigkeiten damit, zu lügen. Wenn mich also jemand lobt und ich finde, dass dies auf irgendeine Art ungerechtfertigt oder inkorrekt ist, muss ich ihn korrigieren. Einfach „Danke.“ zu sagen, und das Lob anzunehmen, fühlt sich für mich wie eine Lüge an und damit habe ich große Schwierigkeiten.
Während ich für Dinge die ich tue keinerlei Lob brauche, oder erwarte, kann ich mit einer Version von „Ich mag das.“ wesentlich besser umgehen, als mit einer Version von „Das hast du toll gemacht.“
Bitte lobt mich nicht, um höflich zu sein. Ich habe keine Ahnung, wann es jemand ernst meint und wann nicht, was eine enorme Stressquelle für mich ist. Dies bedeutet, ich bin darauf angewiesen, das Menschen ehrlich zu mir sind. Wenn du etwas nicht magst, was ich getan oder gemacht habe, sag es mir einfach. Sonst habe ich keinerlei Möglichkeit, es fürs nächste Mal besser zu wissen, oder mich zu verbessern.
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